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Aus dem Nix – Musikverrückte bescherem dem Rheingau ein Festival und längst vieles mehr

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Von Hendrik Jung. Fotos Winfried Schönbach.

Das kulturelle Angebot im Rheingau ist groß, zielt aber primär auf das „reifere“ Publikum. Ein Verein ist angetreten, um auch Jungen und Junggebliebenen etwas zu bieten – und hat ein Festival erfunden, das weit über zehntausend Musikfans glücklich macht.

Die Bestandsaufnahme einer Gruppe Kulturinteressierter vor fünf Jahren fiel deprimierend aus: „Für Jugendliche gibt es hier im Rheingau fast nix“, lautete damals das Fazit. Und der Umkehrschluss: Alles, was man dem entgegensetzt, ist „Besser als nix“. Der Name des Vereins, der sich der Einfachheit halber mittlerweile auch „Ban!“ nennt, war geboren. „Am Anfang war die Idee: Lass uns eine Bühne zimmern, eine Band einladen und loslegen“, erinnert sich der Vereinsvorsitzende Dirk Klinner, wie viele seiner Mitstreiter längst selbst der Jugend entwachsen. Am Ende hat sich das Motto „Think big“ durchgesetzt.  Ein Konzert mit hundert Gästen macht nämlich Arbeit, bringt aber relativ wenig Resonanz. „Der Sprung von Arbeit auf viel Arbeit ist nur gering“, lautet die einleuchtende Erklärung von Vorstandsmitglied Margit Jacobi. Also werden seit 2011 die Rheinwiesen bei Geisenheim an mittlerweile drei Tagen bespielt. Die Zahl der keinesfalls nur jugendlichen Besucher des Festivals, das so heißt wie der Verein, hat sich von ursprünglich knapp 6.000 inzwischen mehr als verdoppelt.

Auf der großen Bühne haben seitdem fast 80 Hip-Hopper, Rocker und Singer-Songwriter bei freiem Eintritt ihre Visitenkarte hinterlassen. Auf einer kleinen Chill-Bühne können sich junge DJs präsentieren, auch Graffiti-Künstler finden eine Plattform. „Nur im Workshop-Zelt muss noch was passieren. Da sind noch Kapazitäten frei“, berichtet Sabine Rasim.

Hundert Bands bewerben sich für Festivalauftritte

Sie ist im Vorstand für die künstlerische Leitung zuständig und bekommt mittlerweile pro Jahr 100 Bewerbungen von Bands. Voraussetzung für einen Auftritt ist, dass das Repertoire im Großen und Ganzen aus eigenen Stücken besteht. Coverbands sind nicht erwünscht. Außerdem handelt es sich – anders als beim ebenfalls so besonderen wie erfolgreichen Festival „Heimspiel Knyphausen“ in Eltville-Erbach, das inzwischen Musiker und auch Publikum von weither in den Rheingau auf das elterliche Weingut des bundesweit bekannten Liedermachers Gisbert zu Knyphausen lockt – überwiegend um regionale Künstler. „Wenn man den richtigen Slot hat, dann ist es geil, dass mal 400 Leute vor der Bühne stehen. Aber das Festival ist darauf ausgelegt, dass immer wieder andere Bands spielen, deshalb bieten sich für Rheingauer Bands auch nicht viel mehr Auftrittsmöglichkeiten“, bedauert Schlagzeuger Volker Träuptmann von Edgeball, die immerhin schon zweimal beim „Ban!“ aufgetreten sind. „Das tut der Region gut und ist eine Chance gesehen zu werden. Wir sind dadurch auch schon in der Zeitung und im Radio gewesen“, erzählt Sänger Marlon Blaes von den Gribaldies, die ebenfalls schon zweimal auf der Ban!-Bühne gestanden haben.

„Wir wollen auch die Entwicklung von Bands verfolgen. Deshalb gibt es die Überlegung im kommenden Jahr, zu unserem Mini-Jubiläum, ein paar von ihnen erneut einzuladen. Denn wir haben schon ein paar Perlen dabei gehabt“, berichtet Dirk Klinner. Außerdem ist in Kooperation mit dem Kulturzentrum Eichberg die Veranstaltungsreihe „Manic Ban! Day“ ins Leben gerufen worden. „Das sollte eigentlich drei bis vier Mal im Jahr stattfinden. Aber jetzt machen wir es als kleines Sommerfest, bei dem mehrere Bands spielen und es ein paar Stände gibt“, erläutert Sabine Rasim. „Das ist sehr charmant, mit einer wunderbaren Stimmung, aber bis jetzt kommen leider zu wenig Leute“, bedauert Dirk Klinner. Für ein junges Publikum sei der Eichberg leider nur schlecht zu erreichen. Vorerst keine Neuauflage wird das Musikvideo-Festival „Tonflimmern“ finden. „Das wird einen anderen Turnus bekommen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht aufreiben“, fügt der 46-jährige hinzu. Schließlich verfügt der Verein nur über knapp 30 Mitglieder, etwa zehn sind rund ums Jahr aktiv. Beispielsweise, um Sponsoren für das Festival zu finden. Aktive Helfer sind immer willkommen. Derzeit ist der Verein auf der Suche nach Grafikern. Belohnt wird das ehrenamtliche Engagement mit dem guten Gefühl, die künstlerische Vielfalt in der Region zu fördern. „Es ist schön zu sehen, dass da draußen wahnsinnig viel Potenzial ist“, findet Dirk Klinner. Ein Potenzial, dem der Verein eine Plattform bietet. Und das ist in der Tat sehr viel besser als nix.