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Offenheit zeigen: Einheimische und Geflüchtete entdecken in Foto- und Theaterprojekt gemeinsam die Stadt

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Von Hendrik Jung. Fotos Michael Weber.

Gemeinsam die Stadt entdecken, dabei Fotos machen und aus den Motiven Theater-Szenen entwickeln. Das ist die Idee hinter dem Projekt „Komm, ich zeig Dir was!“ Gedacht ist es für Einheimische und für Flüchtlinge.

„Darf ich ein Foto von Ihnen machen?“ Ein wenig schüchtern spricht Silvia Gligor den Mann durch die Scheibe an. Er arbeitet im Harput Restaurant in der Wellritzstraße und ist gerade dabei, Fleisch von einem Kebap-Spieß zu schneiden. „Mach mal“, antwortet er ganz entspannt und posiert für das Polaroid-Foto. Dann schließt Silvia sich wieder den anderen zwei Frauen und zwei Männern an, mit denen sie an diesem Tag gemeinsam auf Foto-Pirsch ist. Zur Gruppe der Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung nach Deutschland gekommen sind, gehört nur einer von ihnen. Und der lebt sogar bereits mehr als doppelt so lange in Deutschland wie Silvia. Sie ist vor zwei Jahren aus Rumänien gekommen, weil ihr Mann hier Arbeit gefunden hat.

Früherer Kriegsreporter fühlt sich an Kabul erinnert

„Das erinnert mich an Kabul“, urteilt Abdul Gafahr Qadiry über eine Hausfront an der Ecke von Hellmund- und Wellritzstraße. Auch die übrigen Gruppenmitglieder finden das Haus interessant, aber alle wählen einen anderen Blickwinkel. Für Abdul Gafahr Qadiry ist es das erste Polaroid-Foto seines Lebens. Mit dem Kamera-Objektiv ist er jedoch nicht zufrieden und bekommt deshalb von Michael Weber, der das Projekt „Komm, ich zeig dir was!“ mit initiiert hat und leitet, eine Digitalkamera gereicht. Schließlich hat der 33-jährige in seinem Heimatland Afghanistan zehn Jahre lang als Kriegsreporter gearbeitet. Weil er dabei auch Nato-Truppen begleitet hat, hätten die Taliban irgendwann so viel Druck auf seine Familie ausgeübt, dass seine schwangere Frau ihr erstes Baby verloren habe. Über Indien seien sie dann nach Europa geflohen und lebten mittlerweile mit zwei Söhnen glücklich in Mainz. Eine Lebensgeschichte, der der Rest der Gruppe mit atemloser Spannung folgt. Ein Wunsch ist damit schon vor dem Aufbruch in die Innenstadt erfüllt.

Wiesbaden-Ansichten jenseits der Klischees

„Ich würde gerne in Kontakt kommen mit geflüchteten Menschen. Auch aus Neugierde an anderen Ländern und Kulturen“, nennt Eva Boettcher als Motive für ihre Teilnahme am Projekt. Außerdem sei sie stolz auf die Stadt, in der sie seit zwölf Jahren lebe und wolle Menschen, die Wiesbaden noch nicht so kennen, gerne Ansichten abseits der Klischees zeigen. „Wenn ich jemandem begegne, wo die Chemie stimmt, könnte ich mir vorstellen, den Austausch auch über das Projekt hinaus fortzuführen“, fügt Eva hinzu. Gerne würde sie auch an dem Theaterworkshop Anfang Dezember teilnehmen. Bislang wisse sie jedoch noch nicht, ob sie das zeitlich hin bekommt. Ähnlich geht es Silvia Gligor. Sie ist auf das Projekt aufmerksam geworden, weil Fotografie ihr Hobby ist. Aber sie möchte sich auch von der Situation der Geflüchteten ein eigenes Bild machen. „Man bekommt das ja immer nur im Fernsehen mit und weiß nichts Genaues“, erläutert die Musiklehrerin.

Die Dritte im Bunde hat eine klare Vorstellung vom Ziel des Projekts. „Man muss was tun, um Flüchtlinge besser zu integrieren“, findet Helga Zahmer. Eine ganz ähnliche Motivation hat Michael Weber. „Man kann die Situation nicht einfach ignorieren“, verdeutlicht der 37-jährige. Das Medium Fotografie erschien ihm als geeignetes Mittel, weil man dabei Gefühle und Ideen auch ohne Sprache ausdrücken kann. Genau wie im Theater. Deshalb hat er sich für das Projekt mit der Tanz- und Theaterpädagogin Sibylle Magel in Verbindung gesetzt. Diese hat in diesem Jahr gemeinsam mit dem Theatertherapeuten Björn Kaltwasser bereits zwei Workshops für Einheimische und Geflüchtete angeleitet, so dass das gemeinsame Konzept der drei Initiatoren schnell geboren war. Eine langwierigere Angelegenheit ist dagegen die Ansprache von Asylbewerbern. „Bisher war es sehr, schwer Flüchtlinge zu finden. Die Vorlaufzeit war ziemlich kurz“, erklärt Michael Weber. Grundsätzlich sei das Interesse an dem Projekt jedoch groß. So wolle etwa das Jugendhilfswerk Antoniusheim eine Gruppe Jugendlicher schicken, und auch für den Theaterworkshop gebe es bereits erste Anmeldungen. Wie viele kommen, wird sich dann zeigen.

Interessierte können am Montag, 30. November, ab 14 Uhr am letzten Foto-Termin teilnehmen. Treffpunkt ist bei arco in der Wellritzstraße 49. An gleicher Stelle findet der Theater-Workshop am ersten Dezember-Wochenende statt. Den Abschluss bildet am 6. Dezember um 18 Uhr eine Aufführung, bei der auch die entstandenen Fotos gezeigt werden. Gäste werden gebeten, etwas zum Essen für einen gemeinsamen, geselligen Ausklang mitzubringen. www.kommichzeigdirwas.de