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Was lange währt, wird endlich sichtbar: Museum Wiesbaden feiert doppelte Wiedereröffnung

 

Von Hendrik Jung. Fotos Kai Pelka.

Gleich zwei Abteilungen im Museum Wiesbaden werden heute nach vierjähriger Sanierung wieder eröffnet: Die der Alten Meister und die naturhistorische Dauerausstellung. Was dort zu bestaunen sein wird, sind die Ergebnisse der mühevollen Arbeit gewissenhafter Präparatoren. sensor hat die kreative Zunft erkundet.

„Ins Buch eintragen, etikettieren, einfrieren“, erläutert Präparator Malte Seehausen die Schritte, die er unternimmt, wenn ihm ein Tier geliefert wird. Bei Wildfunden werden außerdem wissenschaftliche Basisdaten wie Gewicht, Größe oder Flügellänge erfasst. Viele Neuzugänge stammen aber aus Tierparks. Sei es nun die heimische Fasanerie, der Frankfurter Zoo oder der Vogelpark in Walsrode. „Kein Tier wird zu Zwecken der Präparation getötet“, betont Seehausens Kollege Felix Richter. Dieses Gerücht möchten die staatlich anerkannten Präparatoren genauso ausräumen wie den Irrglauben, dass heute noch ausgestopft wird: „Die Technik ist einfach überholt“, stellt Malte Seehausen klar.

Nach Häutung des Tieres wird zunächst der Fleischkörper vermessen. „Wo geht der Ober- in den Unterschenkel über? Wie zeichnet sich die Achilles-Sehne ab? An welcher Stelle sitzen die Augen?“, zählt Felix Richter Fragen auf, die er sich bei der Arbeit stellt. Außerdem beobachte er die typischen Bewegungsabläufe der Tiere. Nur so könne man ihren Körper naturgetreu nachbauen. Dieser wird dann aus Holzwolle gewickelt oder per Formenbau erstellt. Bei Vögeln bleiben außer dem Gefieder auch die Unterbeine erhalten.

Schillernde Paradiesvögel

„Alles Organische, was ranzig werden kann, muss entfernt werden“, erläutert Felix Richter. „Deshalb wird bei den Vogelbeinen das Knochenmark mit Druckluft raus geblasen, damit es nicht in ein paar Jahren von innen heraus fettet“, fügt der 37-jährige hinzu. Zum Glück haben seine Vorgänger gewissenhaft gearbeitet, sonst könnten Besucher jetzt nicht die schillernden Paradiesvögel in der Ausstellung bewundern. „Das sind etwa 100 Jahr alte Präparate, die nie ausgestellt worden sind“, berichtet Malte Seehausen, der auf Vogelpräparate spezialisiert ist. Zwar seien die Federn der Tiere ausgeblichen gewesen. Doch habe er eine Technik entwickelt, mit der das Problem per Airbrush lösbar ist, ohne die feine Struktur der Federn zu zerstören.

Immer wieder werden in der Präparatoren-Zunft kreative Lösungen entwickelt, wie etwa das Einlegen von Altpräparaten in frisch geschnittenen Kirschlorbeer. Dessen Feuchtigkeit reicht aus, um ein Präparat gerade so sehr aufzuweichen, dass man dessen Haltung verändern kann, ohne es zu beschädigen. Eine wichtige Technik für die Wiesbadener, die für die Ausstellung nicht nur Dutzende neue Präparate angefertigt, sondern auch Hunderte Altpräparate bearbeitet haben. Unter den Titeln „Form“, „Farbe“, „Bewegung“ und „Zeit“ sind diese zu einer Schau zusammen gestellt, die außergewöhnlich für naturhistorische Sammlungen ist. „Die Darstellung ist wissenschaftlich korrekt und trotzdem ästhetisch anspruchsvoll“, betont Felix Richter. So sind etwa die Schalentiere in der Abteilung „Form“ mit Hilfe von Airbrush und Lack nicht nur lebensecht koloriert, sondern erhalten ihre natürliche Leuchtkraft zurück. Beeindruckend auch der Gepard, der mitten im Raum eine Herde Springböcke jagt, sowie die fliegenden Schwäne über den Köpfen der Besucher in der Abteilung „Bewegung“. „Das soll den Auf- und Abschwung der Flügel in einer Flugabfolge zeigen“, erklärt Malte Seehausen.

Fünf Jahre, 1,35 Millionen Euro

Insgesamt stecken fünf Jahre Vorbereitung und 1,35 Millionen Euro in der Ausstellung. Für den zeitlichen Verzug ist der Leiter der naturhistorischen Sammlungen nicht undankbar. „Dadurch haben wir erst vor zwei Jahren mit dem Lichtkonzept begonnen und bis dahin war die LED-Technik so weit fortgeschritten, dass wir da einsteigen konnten“, freut sich Fritz Geller-Grimm. So habe man LEDs in die Vitrinen einbauen können, die gerade erst in diesem Jahr entwickelt worden sind und die derzeit weltweit die hellsten ihrer Art darstellen.

 „Ästhetik der Natur“,  die neue  Dauerausstellung der Naturhistorischen Sammlungen im Museum Wiesbaden, und „Neue Räume für Alte Meister“ werden am 8. Mai zeitgleich eröffnet.

Freier Eintritt am Eröffnungswochenende

Anlässlich der Neupräsentation der Alten Meister und der Eröffnung der neuen Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“ der Naturhistorischen Sammlungen ist der Eintritt ins Museum Wiesbaden am Samstag, den 11. Mai sowie am Sonntag, den 12. Mai frei. An beiden Tagen bietet das Museum Wiesbaden umfangreiche Informationspunkte in den Sammlungen, ein buntes museumspädagogisches Programm mit Möglichkeiten zum Malen, Bauen und Zeichnen sowie Führungen und Vorträge. Am 12. Mai um 11 Uhr referiert der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Josef H. Reichholf zum Thema „Ästhetik der Natur – Darwins Probleme mit der Schönheit“.  www.museum-wiesbaden.de