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Digitale Leidenschaft: Blogs und Blogger aus Wiesbaden

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Text Sebastian Wenzel. 
Fotos Rainer Eidemüller

Blogs sind mehr als Tagebücher im Internet. Sie sind Leidenschaft pur und gewähren Einblicke in unbekannte Welten. Wir haben fünf Wiesbadener Blogger besucht und uns mit ihnen über Mörder, Strickjacken, George Clooney und fermentierte Pferdemilch unterhalten.

sensor-blogger-favorit_heinz-bielsteinDer Vorleser
Heinz Bielstein mag Mörder, vor allem, wenn sie echte Charaktere sind. Typen eben, mit Ecken und Kanten. Typen, deren Motive er nachvollziehen kann. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Bielstein mag keine Menschen, die in der realen Welt töten, morden und schlachten. In Büchern ist das für ihn eine andere Sache. Ohne Mörder gäbe es keine Krimis, und ohne Krimis gäbe es Bielsteins Blog nicht. Der 68-Jährige rezensiert im Internet Bücher und verrät seinen Lesern, welche sie lesen sollten und welche nicht. In Deutschland erscheinen laut Bielstein pro Jahr zwischen 2.000 und 3.000 Krimis. Etwa hundert davon liest der Chemiker im Ruhestand. Im Sommer setzt er sich mit den Büchern auf die Terrasse, im Winter in einen Sessel, der in seinem Wohnzimmer steht. Bielstein mag Papier. Er liebt es, Bücher anzufassen, Seiten umzublättern. Trotzdem hat er auch einen elektronischen Buchleser: „Etwa zehn Prozent der Bücher lese ich am Bildschirm.“ Sobald er mit einem Krimi fertig ist, macht er sich an die Rezension. „Ein guter Krimi hat einen Spannungsbogen, überraschende Wendungen, gründlich gezeichnete Charaktere. und es muss einen Konflikt zwischen dem Ermittler und dem Täter geben.“ Genau wie Krimiautoren tippt auch Bielstein seine Worte und Gedanken in den Computer. Er verewigt sie in Rezensionen und hält sie so für die Nachwelt fest. Dabei rezensiert er nicht nur Neuerscheinungen, sondern auch Klassiker und Wiesbaden-Krimis wie „Totengruft“ von Susanne Kronenberg. Das Buch dreht sich um Toni Sender. Die gebürtige Biebricherin gehörte zu den führenden sozialdemokratischen Politikerinnen der Weimarer Zeit. Bielsteins Fazit: „Sie lebe hoch, diese Art von Regionalkrimi!“ Einen Unterschied gibt es zwischen Buchautoren und Bielstein aber doch: Selbst einen komplettes Buch zu schreiben, käme dem Blogger nie in den Sinn. Er sagt: „Dazu fehlt mir die Fantasie.“
krimilese.wordpress.com

sensor-blogger-favorit_giovanna-marascoDie Netzwerkerin

Giovanna Marasco blickt gerne hinter die Kulissen. In ihren Blog erzählt sie ihren Lesern, was sich hinter Wiesbadener Haustüren und Gardinen verbirgt. Sie besucht Wohnungen und Menschen und berichtet von ihren Erlebnissen mit Fotos und Texten. Marasco blickt nicht nur hinter reale Steinfassaden, sondern auch hinter digitale Kulissen. Sie will wissen: Wer steckt hinter den Blogs aus dem Rhein-Main-Gebiet? Im Sommer 2014 organisierte die 31-Jährige deshalb ein Blogger-Frühstück. Dort lernten sich jene, die sonst über das Netz kommunizieren, bei Kaffee und Croissants persönlich kennen und vernetzten sich. Die Idee kam gut an. Die Frühstücksrunde trifft sich inzwischen regelmäßig in wechselnden Wiesbadener Cafés. Die Facebook-Gruppe zur Veranstaltung hat über 65 Mitglieder. „Blogger sind hilfsbereite Menschen. Bei unseren Treffen bringt jeder das ein, was er kann“, sagt Marasco. Sie kennt sich besonders gut aus mit sozialen Netzwerken wie zum Beispiel Facebook. Kein Wunder, dass sie nebenberuflich unter anderem Social-Media-Manager an der IHK Koblenz ausbildet. Im Hauptberuf leitet die gelernte Journalistin die Online-Redaktion der Universität Koblenz-Landau. Da sie privat Geschichten abseits der Uni erzählen wollte, startete sie im Oktober 2013 ihren Blog. Dort kann sie sich journalistisch austoben. Wohnungen und ihre Bewohner sind nur ein Schwerpunkt. Marasco schreibt über alles, was sie bewegt: „Oft entdecke ich Themen auf der Straße-“ Etwa sechs bis sieben Stunden pro Woche investiert Marasco in ihren Blog. Im Moment feilt sie an neuen Themen und plant mittelfristig ein neues Design, denn die Ansprüche daran entwickeln sich in der Blogszene ständig weiter. Schließlich soll auch weiterhin die Kulisse stimmen, wenn Marasco hinter die Kulissen blickt.
www.stadtblogozin.de

sensor-blogger-favorit_tanja-bernsauDie Historikerin
Dr. Tanja Bernsau verdankt ihren Erfolg George Clooney. Der amerikanische Schauspieler und Regisseur drehte 2014 einen Film über die Monuments Men. Das war eine amerikanische Spezialeinheit im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegseintritt der USA sollten die Monuments Men Kunstwerke in Europa vor Bomben schützen, indem sie Gebäude, Museen und Archive auf Landkarten markierten. Sie sorgten außerdem dafür, dass die eigenen Truppen nicht in Kulturstätten Quartier bezogen, diese plünderten oder wertvolle Möbel als Brennholz zweckentfremdeten. „Erst in einem zweiten Schritt sorgte man sich um die Kunstwerke, die kriegsbedingt in Bewegung geraten und in ganz Europa verstreut waren“, schreibt Bernsau auf ihrem Blog. Dort erfahren Leser auch, dass in Wiesbaden nach Kriegsende ein zentraler Sammelpunkt für eben diese Kunstschätze entstand. In unserer Stadt lagerten unter anderem die Büste der Nofretete und Bilder von Rembrandt, Rubens und Dürer. Bernsau schreibt über eine Vergangenheit, die so aktuell ist, dass sie es immer wieder in die Schlagzeilen schafft. Als der Clooney-Film in die Kinos kam, riefen zahlreiche Journalisten bei ihr an. Als die Gurlitt-Gemälde entdeckt wurden, schrieb Bernsau über die Hintergründe. Sie weiß, wovon sie spricht. Die Wissenschaftlerin studierte Kunstgeschichte, Mittlere und Neuere Geschichte sowie BWL in Mainz. In ihrer Magisterarbeit erklärte sie, wie Preise auf dem Kunstmarkt entstehen und welche Rolle eine geklärte Provenienz spielt. Das ist das Fachwort für die Herkunft eines Kunstwerks. In ihrer Doktorarbeit analysierte die 37-Jährige das Wirken der Monuments Men in Wiesbaden. Inzwischen unterrichtet sie selbst Studenten. An der Universität Gießen hält die Professorin Vorträge über Kunsthändler in der NS-Zeit und erwähnt dabei auch die Monuments Men. Den Clooney-Film über die Spezialeinheit findet Bernsau übrigens größtenteils realistisch. Ihr Fazit ist trotzdem ernüchternd: Der Film selbst sei vergleichsweise langweilig. Und das, wo die Geschichten der Monuments Men so spannend sind, dass man damit mehr als nur einen Blog füllen könnte.
bernsau.wordpress.com

sensor-blogger-favorit_christie-dietz_ganzseitigDie Feinschmeckerin

Die Engländerin Christie Dietz macht Werbung für deutsches Essen. Sie ist eine Botschafterin des guten Geschmacks, eine Botschafterin für saisonale und regionale Gerichte. In ihrem Blog schreibt die 36-Jährige auf englisch über deutschen Spargel, Würste und Kartoffeln. „Viele Engländer wissen nicht, dass die deutsche Küche eine saisonale Küche ist“, sagt sie. Dietz will das ändern und veröffentlicht neben Artikeln auch Rezepte und empfiehlt Restaurants im Rhein-Main-Gebiet. Ihren Blog gibt es seit 2001. Damals zog Dietz zusammen mit ihrem heutigen Mann von London nach Wiesbaden. Unter „Letters from Frau Dietz“  sammelte sie für Freunde und ihre Familie Geschichten aus der neuen Heimat. Schnell stellte sie fest: Fast alle Artikel drehten sich ums Essen. Dabei ist es bis heute geblieben. Inzwischen heißt ihr Blog „A Sausage Has Two“. Der Name ist eine Anspielung auf das deutsche Sprichwort „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“. Dietz liebt Essen. Im Urlaub pilgert sie nicht zum Strand, sondern in Restaurants. Dort probiert sie alles, was auf den Tisch kommt: zum Beispiel fermentierte Pferdemilch, ein Kutteln-Ochsenschwanz-Erdnuss-Curry, gepökeltes Rentier, Schlangenwein oder Schafsbrie. Besonders angetan hat es ihr die deutsche Küche. Ihre Lieblingsgerichte sind Spargel, Eier mit Senfsauce und Schweinshaxe. Die beste Haxe in Wiesbaden bekommt man laut Dietz übrigens im Weihenstephaner in der Taunusstraße. Ein deutsche Beilage isst sie allerdings nie: Semmelknödel. Dietz hat eine Glutenunverträglichkeit. Im Jahr 2013 ist sie Mama geworden. Über Kindernahrung schreibt sie trotzdem nicht. „Dafür gibt es Mami-Blogs.“ Die Spezialisierung auf deutsches Essen für Erwachsene scheint sich zu lohnen. Dietz wurde die höchste diplomatische Ehre für Blogger zuteil: Einige Artikel der Engländerin wurden ins Französische übersetzt und auf den Seiten der deutschen Botschaft in Paris veröffentlicht.
asausagehastwo.com

sensor-blogger-favorit_kirsten-haasDie Strickerin
Kiki Haas geht nie ohne Garn und Nadeln aus dem Haus. Die 40-Jährige strickt immer und überall: in Cafés, im Bus und in der S-Bahn. Stricken ist ihre große Leidenschaft, und das schon seit langem. Ebenfalls seit langem bloggt Haas über ihr Lieblingshobby. Vor neun Jahren, am 23. Januar 2006, veröffentlichte sie ihren ersten Artikel im Netz. Instagram, Twitter oder Ravelry gab es damals noch nicht. Heute benutzt Haas alle drei Plattformen. Auf Instagramm veröffentlicht sie Fotos von gestrickten Socken, Wolle und ihren Hasen. Auf Twitter zwitschert sie über Comics, ihre Blogbeiträge und Bücher. Auf der Handarbeitsplattform Ravelry vernetzt sie sich mit dem Rest der Strickerwelt. Das macht Haas nicht nur im Internet, sondern auch im realen Leben. In Frankfurt am Main gründete sie den Strick-Treff „Meet to Knit“. Aber zurück zum Blog: Dieser hat sich über die Jahre verändert, genau wie ihre Strickereien. „Stricken entspannt mich und ich finde es produktiver als ein Buch zu lesen. Ich probiere gerne neue Dinge aus und beherrsche inzwischen neue Stricktechniken“, sagt Haas. Sie strickt Mützen, Socken Röcke, Tücher und Pullover. Pro Jahr vollendete sie etwa zwanzig Werke. In ihrem Blog können die Leser die Entstehung nachverfolgen und die finalen Produkte bewundern. Anders als zahlreiche andere Strickblogger veröffentlicht Haas aber nur selten Anfängerkurse oder Strickanleitungen. Auch private Informationen finden die Nutzer – wie in vielen Wiesbadener-Blogs – selten. „Da muss man schon zwischen den Zeilen lesen.“
wollbindung.blogspot.de

Blogged in WI
In Wiesbaden bloggen nicht nur die fünf  hier vorgestellten Protagonisten, sondern noch viel mehr Menschen. Hier eine Auswahl in alphabetischer Reihenfolge.

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